Prof. Dr. Rainer Goetz studierte Kunstpädagogik und Freie Malerei an der Akademie der Bildenden Künste in München und Psychologie, Kunstgeschichte und Soziologie an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Er promovierte am dortigen Institut für Empirische Pädagogik, Pädagogische Psychologie und Bildungsforschung und am Kunsthistorischen Institut über das Thema Interesse als Konzept der Vermittlung von Kunst und Subjekt. Bis zu seiner Emeritierung war er Dozent für Kunstdidaktik und Ästhetische Spielformen an der Akademie der Bildenden Künste in Nürnberg und Professor für Kunstpädagogik an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg. Rainer Goetz konzipierte und leitete Vortrags- und Diskussionsreihen wie Vom Traum zum Trauma? Chancen und Probleme der Kunst in neuen Museen, Neue Medien: Auf-Bruch der Kunst? oder The Image of Thinking. Zur Aktualität ästhetischen Denkens. 1997 Gastprofessur an der James-Madison-University in Virginia. Für die Evangelische Akademie Tutzing leitete er die Sommerakademien 1999, 2001, 2003 und 2005), an der Universität Würzburg etablierte er mit Symposien, Ausstellungen, Installationen und Performances den Kunstraum mit dem Ziel, ein Zentrum für Ästhetische Bildung einzurichten.

Der Werkbundtag als Resonanzraum: Den Umgang mit Atmosphären lernen

Durch die Anverwandlung von Dingen, durch ein vergegenwärtigendes Spüren und Bewegen, durch die Veränderungsmöglichkeiten und (Um-)Gestaltungsweisen sowie durch die Erfahrung handelnder Selbstwirksamkeit bringen wir vielfältigste Materialitäten zum Sprechen.

Die Subjekt und Objekt vermittelnden Atmosphären wahrzunehmen und die Fähigkeit, selbst Atmosphären produktiv zu gestalten, sind Vorgänge, die sich insbesondere in und durch Arbeit und Bildung vollziehen. Diesen beiden Prozessformen aufgeschlossen sich zuzuwenden, sehe ich als Aufgabe des diesjährigen Werkbundtags.

Insofern versucht er einen Denk- und Resonanzraum zu schaffen, in dem das Zusammenwirken von LABOR als Ort (natur-)wissenschaftlicher Erfahrung und ATELIER als Raum der Interaktion und Vermittlung aller Künste aufscheint mit den dabei entstehenden Fährten und Wegkreuzungen und -überlappungen. Ästhetische und nicht-ästhetische Wahrnehmungsweisen liegen sowohl im LABOR als auch im ATELIER oft dicht beieinander oder durchmischen sich. Ästhetische Wahrnehmung setzt eine nicht-ästhetische Wahrnehmungsfähigkeit voraus und stellt eine Modifikation aller nicht-ästhetischen Wahrnehmungsvollzüge dar.

Während aber besonders die ästhetische Dimension unserer Wahrnehmungsfähigkeit für die Entwicklung der Persönlichkeit von zentraler Bedeutung ist, bleibt sie in der (hoch-)schulischen Bildung marginal. Hier werden die Defizite aktueller Bildungspraxis besonders augenfällig: Es fehlt ein Verständnis von Bildung, für welches das Ästhetische konstitutiv ist oder das durch das Ästhetische mitkonstituiert wird. Insofern sind ästhetische Prozesse Bildungsprozesse, Formen innovativer Lernprozesse, die es erlauben, aktuelle und zunehmend komplexere gesellschaftliche Problemlagen mittels neuer Modi der Aufmerksamkeit und kreativen Auseinandersetzung zu verarbeiten. Der Deutsche Werkbundtag in Nürnberg möchte u. a. auf dieses zentrale Ziel humaner Bildung mit aller Vehemenz aufmerksam machen.