Prof. Dr. Tetyana Kloubert studierte Germanistik, Weltliteratur und Englisch an der Universität in Czernowitz, Ukraine, sowie Romanistik und Erziehungswissenschaft an der Universität in Jena. Gefördert durch ein Promotionsstipendium der Studienstiftung des deutschen Volkes erlangte sie im Jahr 2013 mit dem Thema „Aufarbeitung der Vergangenheit im Rahmen der Erwachsenenbildung in Ost- und Mitteleuropa“ ihre Doktorwürde. Tetyana Kloubert war zunächst als wissenschaftliche Mitarbeiterin an den Universitäten Jena und Augsburg, dann als Akademische Rätin a. Z. am Lehrstuhl für Pädagogik mit Schwerpunkt Erwachsenen- und Weiterbildung an der Universität Augsburg tätig. Sie forschte und lehrte als eingeladene Wissenschaftlerin an der Graduate School of Education der Harvard University und an der Universität Czernowitz. Seit April 2017 vertritt sie schließlich die Professur für Pädagogik mit dem Schwerpunkt Vergleichende Bildungsforschung in Augsburg. Neben ihrem besonderen Interesse für die Erwachsenbildung in Osteuropa und in den USA, ist ihr weiterer Forschungsschwerpunkt die politische Bildung. Im Rahmen des Werkbundtags wird sie über die Frage der persönlichen Entwicklung als Bildungsaufgabe unter den gegenwärtigen gesellschaftlichen Bedingungen referieren.

Bildung und Person: Persönliche und gesellschaftliche Dimensionen

Bildung ist nicht eine bloße Ansammlung von Wissen oder alleinig die Vorbereitung des Individuums auf die Anforderungen des Arbeitsmarkts. Es gilt, sich vielmehr auf die humboldtschen Implikationen des Begriffs zurückzubesinnen und Bildung als einen lebenslangen Prozess des Lernens und der Persönlichkeitsentwicklung zu begreifen. Der Einzelne sollte befähigt werden, seine genuinen Lebensaufgaben respektive die Herausforderungen unserer „postfaktischen“, globalisierten, sich ständig verändernden Welt zu meistern. Signifikant für diese Befähigung ist insbesondere die auf Kant zurückgehende Erziehung zur Mündigkeit. Neben dem kritischen Denken, der argumentativen Kommunikation, dem Verständnis von Zusammenhängen und der Reflexion eigener Erfahrungen lässt sich heute auch eine kritische Medienkompetenz unter dem Begriff Mündigkeit subsumieren. Erlangt werden diese Kompetenzen durch eine konstante Mensch-Welt-Beziehung (Humboldt), das heißt eine unmittelbare Begegnung von Individuum und (noch nicht bekannter) Welt, einer Interaktion mit dem Anderen. Basierend auf der von Adorno postulierten Korrelation von Persönlichkeit und politischen Denkmustern bedarf es der Mündigkeit des Einzelnen für eine funktionierende Demokratie und zum Schutz des Individuums vor Manipulierung und Instrumentalisierung durch politische Propaganda. Die Mündigkeit bietet daher dem Einzelnen Stabilität in Zeiten fehlender Orientierung und kann mit Adorno als Mittel zur Verhinderung eines zweiten Ausschwitz verstanden werden. Somit stellt sich abschließend die Frage, welche Konsequenzen die Marginalisierung der Persönlichkeitsentwicklung in unserer heutigen Gesellschaft zugunsten einer Fokussierung auf die Anforderungen des Arbeitsmarkts haben kann.