Design & Bahn

Eine Gestaltungsgeschichte

Design und Bahn und Werkbund?

Es scheint ein unmögliches Unterfangen zu sein, so komplexe Themen wie Design oder die Bahn überzeugend und anschaulich fassen zu können. Jedes Thema für sich ist eine echte Herausforderung. Beides in einem Buch zu versuchen, zeugt von großem Willen und ist Ausdruck besonderer Leidenschaft. Ein Werk, dass die Eisenbahn als Verkehrsmittel und Design als Disziplin zusammenführt, gab es bislang nicht. Für viele heute unbekannt dürfte es sein, dass auch der Werkbund und die Bahn Verknüpfungen hatten. Das Buch klärt auf.

Knapp einen Monat vor dem Beginn des ersten Weltkriegs war auf der großen Werkbundausstellung in Köln dem Verkehrswesen eine eigene Halle gewidmet. Die Protagonisten des Werkbundes entdeckten damit ein weiteres Interessengebiet.

Im Werkbund Jahrbuch Verkehr von 1914 schreibt Walter Gropius in seinem Aufsatz: »Der stilbildende Wert industrieller Bauformen«: »Den Grundton unserer Zeit bestimmen nun aber Handel, Technik und Verkehr. Darum fesseln … die modernen Aufgaben … offenbar viel tiefer, als die althergebrachten Bauprobleme«. Das benennt die Motivation des Werkbunds recht gut.

Das erste Verkehrsmittel, das die Wahrnehmung des Menschen für Raum und Zeit so stark veränderte wie keines zuvor, war die Eisenbahn. Mit der beginnenden Industrialisierung begann am 7. Dezember 1835 eine neue Epoche der Mobilität.

1914 war die Eisenbahn das vorherrschende Verkehrsmittel in Stadt und Land. Automobile und Flugzeuge steckten noch in ihren Anfängen. Die Gestaltung der Eisenbahn, seiner Bauten, technischen Anlagen, Lokomotiven und Wagen waren echte Herausforderungen, denn nicht immer entsprachen sie den Bedürfnissen der Reisenden, sondern dienten vorranging repräsentativen Zwecken. Die Gestaltung war maßgeblich von Ingenieuren geprägt. Sie agierten zwischen dem damals technisch machbaren und einem sehr zeitgenössischen Stilempfinden.

Welche Ideen und gesellschaftlichen Vorstellungen das Aussehen der Bahn geprägt haben zeigen die Beiträge. Ursula Bartelsheim zeigt schon in ihrem Vorwort den großen Bogen auf, das dem komplexen Thema gerecht wird und auf die folgenden Kapitel einstimmt.

Renate Flagmeier widmet dem Werkbund und seiner Werkbundausstellung von 1914 ein eigenes Kapitel. Sie beschreibt sehr anschaulich, wie der damals junge Werkbund im Jahr des Kriegsbeginns einerseits aktuelle Themen aufgriff und andererseits durch unterschiedliche politische und gestalterische Haltungen und Auffassungen fast zerrissen wurde.

Wir erfahren von Lars Quadejakob etwas zur Klassengesellschaft bei der Bahn »Von Sozialcodierung zu Corporate Colours«. Rainer Mertens schreibt über »Torpedos auf Schienen« für die Gestaltung von Lokomotiven vor über 100 Jahren.  Janina Baur klärt über Mode, die Corporate Fashion auf. Christiane Wachsmann zeigt mit ihrem Beitrag den Einfluss der HfG Ulm, die mit ihrem Anspruch an Verantwortung, Funktionalität und Ergonomie auf das Design bei der Bahn mitprägte. Karsten Henze und Jens Müller zeigen in ihren Beiträgen die Bedeutung von visueller und verbaler Verbindung zwischen Marketing, Werbung, Wiedererkennbarkeit und Orientierung informativ und sehr anschaulich auf.

»Design und Bahn« erscheint zur gleichnamigen Ausstellung im DB Museum Nürnberg https://dbmuseum.de/nuernberg/ausstellungen/design-und-bahn.

Es ist, wie das Thema, ein komplexes Werk. Die Herausgeber und Autoren haben es geschafft, diese Komplexität zu fassen.

Die Beiträge und Interviews ziehen einen thematisch spannenden und erkenntnis- reichen Bogen von den Anfängen der Unternehmung Eisenbahn bis in die jüngste Gegenwart mit einem kurzen Blick in die Zukunft. Dabei muss der Leser kein Eisenbahn Enthusiast sein – die angebotenen Themen betreffen grundsätzlich die Relevanz von Design wie sie für jede Unternehmung exemplarisch sind und auch sein sollen.

Das Buch ist ein wunderbares und wertvoll ausgestattetes Zeitdokument. Es darf und soll viele Leser finden, denn es sagt auch viel über den menschlichen Gestaltungs-willen aus. Und dieser ist heute kaum geringer als am Beginn der ersten Verkehrswende vor über 180 Jahren.

 

Text Christian Lutsch,

DWB Baden-Württemberg

Info:

Ausstellung »Design und Bahn« im DB Museum, Nürnberg

noch bis 12. Juni 2022

https://dbmuseum.de/nuernberg/ausstellungen/design-und-bahn

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Verfasser
Deutscher Werkbund Baden-Württemberg e.V.

Rubrik
Aus den Medien