Doppelte Glückwünsche an Prof. Dr. Wolfgang Meisenheimer!

 

 

Am 25. Februar 2023 feiert der promovierte Architekt, Hochschullehrer, Autor herausragender Bücher, Verfasser zahlreicher Fachartikel, Veröffentlichungen und Aufsätzen zu Architekturthemen, Maler, Zeichner, Bildhauer und langjähriges Werkbund Mitglied seinen 90sten Geburtstag. Grund genug, an dieser Stelle herzlich zu gratulieren!

 

Wolfgang Meisenheimer ist seit nunmehr 59 Jahren Mitglied des Werkbunds und hat neben seinen Engagements in diversen Werkbund Projekten, Ausstellungen und Planungen mehrerer Werkbund Siedlungen in Nordrhein Westfalen vor allem aber durch die Leitung der Werkbund Akademie von 1999 – 2021 mit diesem alljährlich stattfindenden Seminar zu aktuellen Fragen der Architekturtheorie sehr dazu beigetragen, das Gespräch und den interdisziplinären Diskurs im Werkbund anzuregen, ihn zu inspirieren und durch die Beteiligung mehrerer Hochschulen immer wieder aufs Neue zu beleben. Wer einmal die Gelegenheit hatte, als Gast oder Referent an einer der Akademien teilzunehmen erinnert sich bestimmt gerne daran, dass neben dem breit gefächerten Rahmenprogramm vor allem die Gespräche am Rande dazu beigetragen haben, manche Freundschaft zu schließen.

 

Ein weiterer Grund zum Gratulieren ist das neue Buch: Wolfgang Meisenheimer, Meine sieben Wege zur Baukunst. Erkennbar bewegt und glücklich präsentiert der Jubilar das druckfrische Werk in seinem Dürener Privathaus, wo ich ihn gut eine Woche vor dem Festtag besuche, und ein erstes signiertes Exemplar entgegen nehmen darf.

 

Er habe, so sagt der Lehrer, Meister und Freund, einfach keine Lust auf eine „Biographie“ gehabt, das sei nicht sein Ding. Er tue stattdessen lieber so, als wolle er jemanden zu einem Gespräch einladen, um vielleicht einige gute Tipps zu geben und darüber zu reden, was Baukunst sei. „Tja,“ sagt er, “das weiß ich eigentlich auch nicht so genau. Mit meinen vielen Erfahrungen kann ich aber vielleicht dazu beitragen, das Nachdenken über Zusammenhänge anzuregen…“ So nimmt er das Buch in die Hand, schlägt es auf und erzählt voller Stolz davon, mit welcher Intensität seine Tochter Uli mit ihm gemeinsam in den vergangenen Jahren an diesem Schatz gearbeitet hat. Uli Meisenheimer, die bereits viele Bücher für die Werkbund Akademie gestaltete, lebt und arbeitet als Grafikerin und Hochschuldozentin in Paris und hat wahrscheinlich wie niemand anders verstanden, welchen Ausdruck und welche Persönlichkeit dieses besondere Buch gebraucht hat. Dabei herausgekommen ist ein prachtvoller Band mit einer Unmenge an Bildern zu Meisenheimers Werk mit knappen aber aussagekräftigen Texten sowie kleinen Beiträgen einiger Freunde.

 

„Das es sieben Wege geworden sind, ist vielleicht Zufall,“ merkt Meisenheimer an, „es hätten natürlich auch siebzehn oder vielleicht siebentausend sein können, aber,“ so meint er augenzwinkernd, „ich dachte, ich probiere es mal mit sieben. Ist ja auch eine schöne Zahl!“

 

Dann gehen wir, Seite für Seite, Kapitel für Kapitel gemeinsam durch. Korrekterweise muss ich wohl sagen: geht der Autor durch sein Werk und beschreibt seine Ideen zu den verschiedenen Inhalten.

 

Es beginnt, wie kann es anders sein, mit dem Staunen! Dem Staunen über die Natur, über das „grüne Gewusel“ in dem sich sein erstes Haus für seine Eltern versteckt. Wenn man Architektur machen will, muss man zuerst versuchen die Natur kennenzulernen, sie beobachten, studieren, darstellen. Mit den eigenen Händen Steine brechen, Löcher hineinstemmen und spüren, was die Erde ist. Zeichnungen und Reiseskizzen von Landschaften aus der Eifel, aus Griechenland, Tunesien, Marokko und selbst erfundene Landschaften begleiten das Gespräch, ein Anfang ist gemacht.

 

Das zweite Kapitel widmet sich dann dem Körper. „Also,“ sagt er, „erstmal die Natur entdecken und dann den Körper ansehen. Das Körper Ich.“ Dazu lauter Plastiken, wunderbare, kraftvolle Zeichnungen von Körperstudien, Ganzes, Teile, Fragmente, Sichtbares, Verborgenes. Als junger Student mit der roten und blauen Reihe in den Hosentaschen nach Epidauros reisen und vor Ort prüfen, ob der alte Meister Le Corbusier richtig gelegen hat. Erkenntnisse, die in das erste Haus in Üdingen einfließen, zauberhafte, zarte Zeichnungen offenbaren die Lust daran, Körper und Raum eins werden zu lassen.

 

Weiter geht es mit den „Geschenken der elementaren Geometrie“. „Und jetzt geht es los: die Faszination, die in einem Quadrat liegt!“, sagt er, klatscht dabei in die Hände und breitet aus, was und wo die Geometrie das Werk bestimmt. Quadrat, Kreis, die Schräge. Architektur mit Grundformen. Entwürfe, Gebautes, Ungebautes. Vor allem aber: das Überwinden der Ordnung! Ausgeschnittenes, Verdrehtes, Fragmentiertes, Plastiken, Malereien, Häuser, Ideen, die geradezu von dieser Spannung zwischen euklidischer Ordnung und deren Störung leben. Und immer wieder: Reisen zu den alten griechischen Tempeln und, so ganz nebenbei, Götterdämmerung. Begegnungen mit der Ewigkeit.

 

Das vierte Kapitel widmet Wolfgang Meisenheimer dem „nachbarschaftlichen Interesse“.

Leidenschaftlich zeigt er seine Dürener Siedlung „Im Eschfeld“, die Anfang der 70er Jahre entstand und wo er mit seiner Familie seit 50 Jahren zuhause ist. Er selber nennt sie sein „Paradebeispiel“ und beschreibt die Idee der gemeinsamen Piazetta, der Spielstraße, des nachbarschaftlichen Wohnens, der Entstehung der Anlage, der Überzeugung, dass eine Wohnsiedlung nicht wie in der „viel zu konservativen Adenauerzeit“ als Ansammlung einzelner Einfamilienhäuser bestehen sollte, sondern als Teil einer Stadt zusammenhängend geplant werden muss! Hier leuchtet wie eh und je der Menschenfreund Meisenheimer durch, der mit seinem Eschfeld Projekt seiner Zeit ganz einfach voraus war und von dem nicht nur die Stadt Düren so manches weiteres in dieser Art hätte brauchen können…

 

„Es gibt zwei Arten von Räumen“ sagt Meisenheimer, „den öffentlichen Raum und den privaten Raum und wir müssen Meister darin sein, die beiden sowohl voneinander zu trennen als auch sie miteinander zu verbinden!“ und schlägt dann die Seite zum fünften Kapitel auf, das sich den Phänomenen des Innenraums widmet. „Alle Architektur ist Innenarchitektur!“ sagt er und zeigt dazu unter anderem traumhafte Skizzen von Reisen zu den unterirdischen Städten von Matmata in Tunesien, Rauminstallationen im Hoesch Museum in Düren, Alhambra Studien und Wettbewerbsentwürfe für die Kunstmuseen in Bonn oder das Rathaus in Düren und redet über die Kostbarkeit der Innenwelten.

 

Das sechste Kapitel nimmt sich den choreographischen Raum vor. Raum und Bewegung. Darstellungsreihen und Experimente im Raumlabor in der Hochschule in Düsseldorf, Beobachtungen von Tanztheatern in China. Die Transformation von Bewegung in Architektur, eindrucksvoll umgesetzt in der Totenhalle in Merken, wo nach innen gewölbte, hintereinander folgende Dachschalen die Bewegung des gehenden Körpers mit dem Einziehen des Kopfes aufnehmen und man am Ende vor einem Wandrelief steht, mit Blick in einen Innenraum der Vorstellung von einer anderen, einer goldenen Landschaft.

 

Zum Schluss geht es um das Altern der Dinge, um Kosmisches und Körperliches. Das Altwerden der verputzten Wände. Das Überwuchern von Architektur und Plastik durch die Natur. Der Untergangsmoment. Dann eine schwarze Seite. Das Nichts. Und hintendran ein umfangreiches Werkverzeichnis, beinah ein eigenes, achtes Kapitel…

 

Wahrlich ein Meisterwerk! Herzlichen Glückwunsch nochmals, lieber Wolfgang Meisenheimer, zum Geburtstag, zum neuen Buch, zu all diesen fantastischen Arbeiten, Bildern, Kompositionen und einem unvergleichlich reichen Werk, dass auf diese Weise mit Sicherheit noch viele weitere Kapitel in die Welt bringt, herzlichen Glückwunsch zum Leben!

 

 

Benedikt Stahl, Februar 2023

 

 

 

 

 

Angaben zum Buch

 

Wolfgang Meisenheimer

MEINE SIEBEN WEGE ZUR BAUKUNST

 

Geymüller Verlag für Architektur, 2022

372 Seiten, 650 Abbildungen

Grafikdesign: Uli Meisenheimer

Fotografie: Andreas Fechner

 

49,- Euro

www.geymueller.de

ISBN 978-3-943164-17-6

 

 

Verfasser
Deutscher Werkbund nordrhein-westfalen e.V.

Rubrik
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