Werkbund Label 2021/22 - Die Preisträger im Portrait
Am 23. Juli 2020 wurde in Heidenheim das seit 1961 bestehende Rommel-Denkmal mit einer dreifachen Umgestaltung erweitert. In den vergangenen fünf Jahren erarbeitete Rainer Jooß die künstlerische Konzeption und versammelte ein breites Netzwerk an Unterstützern für das Umgestaltungsvorhaben. Voraus ging ein jahrzehntelanger Streit um die Deutungshoheit der Thematik Erwin Rommels.
Ein einst von den Kriegsveteranen im Jahre 1960 in Auftrag gegebenes Denkmal zu Ehren des gebürtigen Heidenheimers erfuhr mehrmalige Bedeutungswechsel und war vor allem in den vergangenen 15 Jahren Gegenstand zahlreicher Protestaktionen. Letztlich ging es zugespitzt um die Frage, ob Erwin Rommel (ehemaliger Generalfeldmarschall im Dritten Reich) dem Widerstandszirkel des „20. Juli 1944“ zugerechnet werden sollte.
Fakten
Die Komplexität der verschiedenen Sachverhalte erzwang eine professionelle Betrachtung eines unabhängigen und hochrangigen Militärhistorikers. Professor Dr. Wolfram Wette konnte für diese zeitgemäße historische Betrachtung gefunden werden. Seine Analyse zu Erwin Rommel bildet den zentralen Teil der Umgestaltung des ehemaligen Denkmals. Seine öffentliche Rede zur Eröffnung am 23. Juli 2020 vor dem Gemeinderat in Heidenheim ist sowohl nachzuhören als auch nachzulesen auf der Webseite www.rommel-denkmal.de.
Dreiklang
Die Webseite selbst ist ein zweiter wichtiger Bestandteil in der Auseinandersetzung mit Erwin Rommel; sie bietet den Interessierten nicht nur eine fundierte Literaturliste zur Thematik, sondern sensibilisiert die Öffentlichkeit für Fragestellungen jenseits der überkommenen Klischees und Halbwahrheiten. Nicht zuletzt können hier zukünftig belastbare Forschungsergebnisse überregional eingesehen werden.
Verantwortung
Vor Ort in Heidenheim bildet die Schattenfigur eines Minenopfers den dritten und auffälligsten Teil der Umgestaltung. In dieser Figur spiegelt sich der Dreiklang der künstlerischen Konzeption. Die als Schattenfigur eines beinamputierten Minenopfers geschaffene Skulptur konfrontiert das massive Mauerwerk der ursprünglichen Anlage. Sie verweist auch auf die millionenfach noch immer im Boden liegenden und potenziell verheerenden Minen in Nordafrika. Ein am Boden liegender Schatten irritiert die Sehgewohnheiten des Betrachters und fordert einen zweiten Blick auf die Thematik. Der von der Sonneneinstrahlung direkt auf das ursprüngliche Denkmal fallende Schatten verweist sprichwörtlich auf die problembehaftete Stellung des einstigen Lieblingsgenerals des Dritten Reiches.
Geistiges Referenzsystem
Der Dreiklang der Bedeutungsebenen hätte nicht geschaffen werden können ohne die Enge Zusammenarbeit von wirkmächtigen Akteuren. Ohne jeden Zweifel ist und war die Übernahme der Schirmherrschaft der Stadt Heidenheim und des ehemaligen Oberbürgermeisters Bernhard Ilg entscheidend für die Realisierung des gesamten Projektes. Ebenso dienten die in den vorangegangenen Jahren erarbeiteten Erkenntnisse und die aktive Beteiligung der Geschichtswerkstatt Heidenheim maßgeblich der konzeptionellen Umsetzung. Nicht zuletzt erging 2019 im Gemeinderat Heidenheim ein einstimmiger Beschluss der Fraktionen zur Umgestaltung des Rommel-Denkmals. Auch darf Franklin Pühn, der Erschaffer des ursprünglichen Denkmals, nicht unerwähnt bleiben; er unterstützte als Erstunterzeichner eine erfolgreiche Unterschriftenaktion während der Planungsphase. Besonderer Dank gilt der Firma Voith Group und deren Auszubildenden, die sich sich an der Fertigung der benötigten Stahlskulpturen engagiert beteiligten. Grundsätzlich gilt: Die Idee eines Einzelnen hätte niemals ohne das breite Bündnis von öffentlichen und privaten Personen im gegenseitigen Dialog realisiert werden können.
Der Deutsche Werkbund prämiert Rainer Jooß mit dem Werkbund Label für die künstlerische Konzeption zur Umgestaltung des Rommel-Denkmals in Heidenheim und den Beitrag, den das Projekt zur Auseinandersetzung um die Deutungshoheit der Thematik Erwin Rommels leistet.
Weitere Informationen finden Sie auf www.rommel-denkmal.de.
Alle weiteren Preisträger und Preisträgerinnen des Werkbund Labels 2021/22 finden Sie hier.
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