Creative Hub RGZM – Vom Leerstand zum Impulsgeber für das Regierungsviertel
© : mamuth | Dipl.-Ing. Timm Helbach, freier Architekt dwb
Es ruht ein Schatz im Garten des schlafenden Riesen. Während die Stadt Mainz verheißungsvoll zum „Forum Regierungsviertel Mainz“ lädt, richtet der Werkbund noch einmal den Blick auf einen beinahe übersehenen Baustein dieses Ensembles: den Pavillon-Bau des ehemaligen RGZM und die angrenzende Steinhalle.
Mit dem Umzug des Römisch-Germanischen Zentralmuseums an den neuen Standort am Mainzer Südbahnhof liegt das Ensemble aus Werkstattgebäude und Steinhalle zunächst ohne konkrete Nachnutzung brach – und doch ist es noch lange nicht abrissreif! Zwar gilt es als abgemacht, dass der Pavillon der Nachkriegsmoderne dem Gutenbergmuseum für Interimsnutzungen während der dortigen Bauphase zur Verfügung gestellt wird, doch drängt sich dieser Leerstand geradezu als temporär genutzter Kreativort auf, den es für Mainz zu öffnen gilt, ob temporär oder dauerhaft.
© mamuth | Dipl.-Ing. Timm Helbach, freier Architekt dwb
Zwischennutzung als Chance: ein Mainzer Modell
In ihrer nahen Vergangenheit und Gegenwart hat die Stadt Mainz mehrfach bewiesen, dass sich temporäre Nutzungen von in Transformationsprozessen befindlichen Orten zu Erfolgsgeschichten entwickeln können. Die Planke Nord war über mehrere Sommer die Mainzer Open Air Anlaufstelle für Konzerte, Lesungen oder einfaches Entspannen am Flußufer, bevor sie schließlich planmäßig dem Baufortschritt des Zollhafen-Areals gewichen ist. Gegenwärtig zeigt das Alte Postlager mit seinem Indoor-Streetfood-Market und das Pop-Up Konzept LuLu im ehemaligen Karstadtgebäude an der Ludwigsstraße, wie in wertlos geglaubter Bausubstanz magische Kreativorte entstehen können. Vielleicht. liegt der Zauber dieser temporären Nutzungen auch gerade in ihrer Vergänglichkeit.
Und so bietet auch der RGZM-Pavillon mit angrenzender Steinhalle, nach dem Auszug der bisherigen Nutzung, die große Chance eines dieser typisch Mainzer Magie-Kleinode zu werden: Als möglicher Impulsort für die Entwicklung des Regierungsviertels, die experimentelle Bespielung des umgebenden Ernst-Ludwig-Platzes und die Belebung des gesamten Mainzer Stadtraums.
Das Gesamtensemble liegt im Herzen der Landeshauptstadt, im Schatten des kurfürstlichen Schlosses und eignet sich schon deshalb besonders als Anlaufstelle für Einheimische und BesucherInnen aus aller Welt. Rheinufer und Deutschhaus sind in Laufnähe, mit dem Ernst-Ludwig-Platz grenzt eine der wenigen innerstädtischen Grünflächen direkt an das Gebäude an. Trotzdem könnten hier, auch durch mögliche Veranstaltungen, keine direkten NachbarInnen gestört werden. Die langfristige Entwicklung und Aktivierung des Mainzer Regierungsviertels bedarf eines Orts des Austauschs und der Interaktion. Ein Ankerprojekt als experimentelle Werkstatt, das – wenn auch temporär – die angestrebte Veränderung und Belebung des Viertels symbolisiert, trägt und ermöglicht.
Im Obergeschoss des RGZM – © Römisch-Germanisches Zentralmuseum
© mamuth | Dipl.-Ing. Timm Helbach, freier Architekt dwb
Werkstätten – © Römisch-Germanisches Zentralmuseum
Flexible Grundrisse – flexible Nutzungen
Das Bestandsensemble des ehemaligen RGZM kann von mindestens drei unterschiedlichen Eingängen betreten werden, wodurch ideale Voraussetzungen für die Unterteilung der Innenraumstrukturen in differenzierte, komplett autarke Untereinheiten gegeben sind. Alle Räume inkl. der ehemaligen Werkstätten im UG sind Tageslichträume und somit ideal als temporäre Arbeitsplätze nutzbar. Zwei interne Treppenanlagen ermöglichen es, die unterschiedlichen Nutzungseinheiten – fast nach Belieben – zu kombinieren und zu verknüpfen. Die angrenzende Steinhalle könnte direkt mit dem RGZM-Pavillon als zusammenhängendes Ensemble genutzt werden, jedoch gleichzeitig im Tagesbetrieb vom Pavillon abgekoppelt bzw. für Abendveranstaltungen auch selbst autark vom Schlosshof bespielt werden.
Das RGZM-Ensemble war seit der Errichtung als Forschungsgebäude für die Nutzung mit unterschiedlichen Tätigkeitsfeldern konzeptioniert. Im EG reihen sich vorrangig kleine bis mittlere Einheiten um den sonnendurchfluteten Innenhof, die sich ideal als komfortable Arbeitsplätze nutzen lassen. Die Räume sind teilweise noch originalmöbliert und im Prinzip – nach Auszug der jetzigen NutzerInnen – sofort bezugsfertig. Im OG des Pavillons waren ursprünglich größere Einheiten wie Archiv & Bibliothek angesiedelt. Diese sind teilweise durch Leichtbauwände neu unterteilt worden, könnten aber mit Minimalaufwand wieder in die größeren Ureinheiten zurückversetzt werden. Hier besteht Potential für großformatige Gruppennutzungen, Kinderbetreuung und vieles mehr. Im UG befinden sich die ehemaligen Werkstätten der Forschungseinrichtung und bereiten ein ideales Spielfeld für kreatives Schaffen während einer möglichen Zwischennutzung.
Die angrenzende Steinhalle wurde ursprünglich als Ausstellungsfläche konzipiert und genutzt. Während der letzten Jahre wurde sie als Bibliothek zweckentfremdet und entfaltet nach vollzogenem Auszug wieder die Schönheit ihrer lichtdurchfluteten Räume zum Schlosshof – ein Idealort für Veranstaltungen und Ausstellungen.
Bis vor kurzem wurde das RGZM-Gebäude im Tagesbetrieb vornehmlich zu Verwaltungs- und Forschungszwecken genutzt. Die bestehende Elektro- und EDV-Installationen könnten mit verhältnismäßigem Aufwand kurzfristig für eine temporäre Nachnutzung angepasst werden. Innerhalb der vergangenen zehn Jahre wurden verschiedene punktuelle Brandschutzmaßnahmen umgesetzt, sodass auch hier keine kostenintensiven Anpassungen für eine kurzfristige Nachnutzung zu erwarten sind. Letzten Endes bedarf es wenig, um den angemessenen baulichen Umfang zu ermitteln und das ehemalige RGZM-Ensemble einer temporären Neunutzung zuzuführen: Einen partizipativen Kreativraum für alle Altersgruppen, der für die nächsten Jahre zum Ort des Dialogs und konzeptionellen Austauschs im Mainzer Stadtraum wird.
Innenhof – © Römisch-Germanisches Zentralmuseum
© mamuth | Dipl.-Ing. Timm Helbach, freier Architekt dwb
Steinhalle / Ausstellung – © Römisch-Germanisches Zentralmuseum
Aufbruch! Architektur des Wiederaufbaus als identitätsstiftende Stadtbausteine
Ganz nebenbei kann die Mainzer Öffentlichkeit hier zusätzlich für ein weiteres Werkbund- Herzensthema weiter sensibilisiert werden: den Erhalt von hochwertigen Architekturen der Mainzer Nachkriegsmoderne. Das Regierungsviertel ist eines der gelungensten städtebaulichen Experimentierfelder des Mainzer Wiederaufbaus. Was könnte da authentischer sein, als einen gelungenen Wiederaufbau-Baustein als zwischenzeitlichen Schmelztiegel der Mainzer Kreativszene zu nutzen? Dass die Weiternutzung von bestehender Bausubstanz sowie der darin gebundenen grauen Energie in Zeiten von Klimawandel und Bauwende zentrale Themen der bevorstehenden Foren sein sollten, ist selbstredend. Hier wäre die Weiternutzung der bestehenden Bausubstanz auch ein öffentlichkeitswirksames Statement der Stadt zur Zukunft des Bauens und der Stadtquartiersentwicklung.
Es braucht Mut und Optimismus, um im bevorstehenden „Forum Regierungsviertel Mainz“ eine entschlossene und zukunftsfähige Vision für dieses zentrale Mainzer Stadtquartier zu entwickeln. Was könnte hier hilfreicher sein, als einen Schatz der Nachkriegsmoderne als Ort des Diskurses zu nutzen?
Denn eines verkörpern die Architektur der Nachkriegsmoderne, der Deutsche Werkbund und die globale Gestaltungsszene seit jeher gleichermaßen: Den Aufbruch in eine verheißungsvolle Zukunft!
Ein Ausblick zu den bevorstehenden Foren folgt hier in Kürze …
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