3.000 Besucher in Celle

Ausstellung Wettbewerb zur Ideenfindung Umnutzung Karstadt Celle

Was für ein Erfolg für die Baukultur in Niedersachsen, was für eine Diskussion über die Umnutzung des leer stehenden Karstadtgebäudes in Celle. So viel Gespräche über die Entwicklung der Innenstadt in Celle gab es zuletzt bei der Entscheidung um das Shopping-Center vor 15 Jahren. Dieses Mal aber wurde die Bevölkerung intensiver mit einbezogen und über die Möglichkeiten informiert, was sich aus einem Baubestand der 60er-Jahre entwickeln lässt. Angeregt hat die Diskussion das neue Kollektiv Gemeinschaftswerk Werkgemeinschaft. Es ist der Zusammenschluss von drei Verbänden: dem BDB, dem BDIA und dem Werkbund Nord. Im Oktober 2023 entstand die Kooperation, um die Interdisziplinarität unter den Gestalter*innen zu stärken und die Diskussion über das Weiterbauen im Bestand zu aktivieren. Ziel ist es, zukünftig in einem Zweijahresrhythmus einen interdisziplinären Ideenwettbewerb auszuloben. Die erste Auslobung des Preises der Werkgemeinschaft wurde dieses Jahr initiiert. Es sollten Ideen gefunden werden, um das leer stehende Karstadt in Celle wiederzubeleben.

Muss das leer sein?

2023 ging die Ära Karstadt Celle zu Ende. Mit dem Leerstand des 1964 nach Plänen von Walter Brune fertiggestellten Gebäudes veränderte sich auch das direkte innerstädtische Umfeld. Leerstand zieht Leerstand nach sich. Was tun mit den ungenutzten Verkaufsflächen des geräumten Kaufhauses, was mit dem Verlust der Ankerfunktion? Was tun mit dem umliegenden, innerstädtischen Quartier?

Celle steht nicht alleine da. Die goldene Zeit der Kaufhäuser ist überall passé. Wie stumme Zeugen einer längst verblassten Epoche prägen heute leer stehende Riesengebäude jede Stadt. Doch anstelle einer Umnutzung, wird in Celle ein Abriss anvisiert und mit Narrativen gegen einen vermeintlich hässlichen „grauen Klotz“ öffentlich vorbereitet. Doch muss das wirklich sein? Die Bauten reihenweise der Abrissbirne preiszugeben kann angesichts der Klimakrise und den Zielen nachhaltigen Bauens keine Lösung sein. Statt Abriss und Neubau steht die Werkgemeinschaft für Erhalt, Sanierung, Umbau und Weiterbauen im Bestand.

206 internationale und kollektive Bewerbungen

Auf die Ausschreibung des interdisziplinären Wettbewerbs zur Ideenfindung meldeten sich im März 206 Teams, abgegeben haben im Mai über 90. Das waren mehr Einsendungen als je gedacht und zeigt, dass nicht nur das Thema, sondern vor allem das Wettbewerbsverfahren viele Gestalter*innen motiviert hat. Kollektive und kollaborative Arbeits- und Gestaltungsformen, neue Methoden, die dem „Gemeinsam-schaffen-wir-das“ eine Basis geben, sind heute als Strategie zur Realisierung der vielen gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und eben auch gestalterischen Fragen gefordert, eben ein Gemeinschaftswerk.

Interdisziplinär war in diesem Verfahren auch die Jury unter Leitung von Prof. Anja Rosen von der Hochschule Münster zusammen mit Prof. Bettina Georg, Prof. Jan Krause, Innenarchitektin Julia Schneider, Prof. Christiane Sörensen, Landschaftsarchitektin, sowie dem Industriedesigner Prof. Gunnar Spellmeyer, der Bildhauerin Prof. Bärbel Schlüter und Claus Becker, Geschäftsführer des Schlosstheater Celle. Sich durch die über 90 Arbeiten zu arbeiten, bedurfte einer gut vorbereiteten und gesetzten Struktur. Die geballte Ladung positiver Energie, die die interdisziplinären Teams entwickelt haben, war auch für die Jury eine große Motivation.

Den ersten Preis sprach die Jury dem jungen Team aus Gießen zu: Moritz Hoffart, Sebastian Uellner, Leonie Wolf mit Prof. Dipl.-Ing. Architektin Cilia Tovar, Architektur, Entwerfen und integrales Bauen, Prof. Dipl.-Ing. Architekt Maik Neumann, Nachhaltiges Bauen, DGNB-Auditor, Dipl.-Ing (FH) M. Eng Christian Hillgärtner, Technische Gebäudeausrüstung, Dipl.-Ing. Architekt Wolfgang Döring, Bauphysik, Prof. Thomas Vinson, Plastisches Gestalten und Freies Zeichnen, alle Technische Hochschule Mittelhessen, Gießen.
Der zweite ging an: Felix Gehrke, M.Sc. Architektur, Berlin, und Pascal Kapitzka, Bildender Künstler, Braunschweig, der dritte Preis an die stadtfreund:innen, Wiebke Mühlhoff und Juliane Dieckmann, beide Innenarchitektur M.A. mit Mona Ebelt, M.Sc. Städtebau aus Köln und Hannover. Die beiden Anerkennungen an die AG zilpzalp mit Sarah Pens, M.Sc. Architektur und Städtebau, mit Jan Hüttmann, Annika Marie Gilles und Inga Jensen sowie Dr. Katharina Neubauer M.Sc. Architektur, TOMAS-Transformation of Material and Space, Aarau und Julia Laekamp, Tourismusmanagerin, Essen, mit Sofia Ceylan | M.Sc. Architektur und Annabelle von Reutern | M.Sc. Architektur.

Ein unglaublicher Run auf die Ausstellung

Für die Ausstellung sämtlicher Einsendungen wurde ein leer stehender Laden in der Celler Innenstadt gleich gegenüber dem ehemaligen Karstadt gefunden. Der Celler Phillip Maussner unterstützte die Werkgemeinschaft mit seinen Räumlichkeiten. Der Ansturm auf die Preisverleihung am 20. Juni war phänomenal und auch an den Folgetagen blieb der Laden immer voll mit Besuchern. Viele Celler*innen empfinden die Ideen als ein Geschenk für die Stadt. Genauso sollte es sein: Keine Debatte unter Fachleuten, sondern jedem Laien wurde vermittelt, was sich aus einem Bestandsgebäude entwickeln lässt. Sie bieten als Beteiligungsmöglichkeit für die Stadt mit seinen Bürgern eine große Chance zur Kooperation und gesellschaftlichem Engagement, welches bei Abriss und Neubau wohl nicht zu erwarten wäre. Die eigenen Bürger zu beteiligen, braucht aber gewiss etwas Mut. Die positive Resonanz auf den Ideenwettbewerb zeigt, dass ein immenses Potenzial gehoben werden kann, wenn man sich traut.

In der Ausstellung haben die Besucher über die notwendigen Fragen der Energie- und der Bauwende, vor allem auch die Entwicklung der Celler Innenstadt diskutiert. Das ist und war das Ziel: Nachdenken und reden über Baukultur, über die Zukunft der Stadt, über mögliche Lösungen für ein leer stehendes Gebäude und über neue interdisziplinäre Verfahren. Alle müssen sich bewegen, wenn die Wende kommen soll. Dass bundesweit die Gestalter*innen ganz weit vorn liegen, auch das zeigt die Ausstellung, die demnächst unter wggw.info auch digital zu sehen ist.

Preis: 1. Preis

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Moritz Hoffart, Sebastian Uellner, Leonie Wolf mit Prof. Dipl.-Ing. Architektin Cilia Tovar, Architektur, Entwerfen und integrales Bauen, Prof. Dipl.-Ing. Architekt Maik Neumann, Nachhaltiges Bauen, DGNB-Auditor, Dipl.-Ing (FH), M. Eng, Christian Hillgärtner, Technische Gebäudeausrüstung, Dipl.-Ing. Architekt Wolfgang Döring, Bauphysik, Prof. Thomas Vinson, Plastisches Gestalten und Freies Zeichnen, alle Technische Hochschule Mittelhessen, Gießen
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Preis: 2. Preis

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Felix Gehrke, Berlin und Pascal Kapitza, Bildender Künstler, Braunschweig
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Preis: 3. Preis

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stadtfreund:innen, Wiebke Mühlhoff und Juliane Dieckmann, beide Innenarchitektur M.A. mit Mona Ebelt, M.Sc. Städtebau., Köln und Hannover
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Anerkennung

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AG zilpzalp, Sarah Pens, M.Sc. Architektur und Städtebau mit Jan Hüttmann, Annika Marie Gilles und Inga Jensen
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Anerkennung

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Dr. Katharina Neubauer, Architektin, TOMAS-Transformation of Material and Space, Aarau und Julia Laekamp, Tourismusmanagerin, Essen mit Sofia Ceylan | M.Sc. Architektur und Annabelle von Reutern | M.Sc. Architektur
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Verfasser
Deutscher Werkbund Nord e.V.

Rubrik
Aus den Medien