Die Arbeitsfelder

  1. Aus der Beobachtung kaum vorhandener Wertschätzung von Gestaltung ist das Verhältnis von Kunst, Handwerk, Industrie und Gewerbe im Hinblick auf die Öffentlichkeit und das breite Publikum neu zu überdenken. Hier sind die Bildungseinrichtungen insbesondere gefordert, im Zusammenwirken mit der Wirtschaft und den Gebietskörperschaften ein neues Bewusstsein zu entwickeln.
  2. Es gilt eine Lücke zu füllen hinsichtlich der Bedeutung der Region für den Deutschen Werkbund in Geschichte und Gegenwart. Sachsen-Anhalt besteht zurecht darauf, als ein Land der Moderne zu gelten. Allerdings sind hier viele der spannungsreichen Beziehungen von Kunst und Industrie, aber auch von moderner Bewegung und „Heimatschutz“ nicht aufgearbeitet. Neben dem Bauhaus sind andere bedeutende Ausbildungsstätten für Gestalter zu berücksichtigen wie die Magdeburger Kunstgewerbe- und Handwerkerschule und selbstverständlich die Burg Giebichenstein in Halle.
  3. Der Frage ist nachzugehen, ob und ggf. wieweit die Werkbundideen trotz der nicht erfolgten Wiedergründung des Werkbundes in der DDR Spuren hinterlassen haben. Über biographische Zusammenhänge hinaus sind etwa die Einrichtung des Amtes für industrielle Formgestaltung oder auch das Programm der Hochschule für industrielle Formgestaltung Burg Giebichenstein Halle von 1958 darauf zu befragen. Inwieweit sind bestimmte Merkmale der DDR Produktkultur von Werkbundkonzepten beeinflusst?
  4. In Sachsen-Anhalt sind sowohl der Prozess der Industrialisierung wie auch der De-Industrialisierung besonders brutal und schockartig verlaufen. Durch das ganze 20. Jahrhundert hat die Bevölkerung Erfahrungen mit Brüchen und Umbrüchen gemacht. Über lange Zeiträume hat sie lernen müssen, mit Neuanfängen und vor allem mit Mangelsituationen fertig zu werden. Subsistenz- und Mangelwirtschaft haben sich im Umgang mit Ressourcen und Dingen niedergeschlagen. Ist aus diesen Mustern etwas für heute zu lernen?
  5. Sachsen-Anhalt umfasst Gemeinden und Gebiete mit der dramatischsten Abnahme der Bevölkerung in Deutschland. Dieses „schrumpfende Städte“ Phänomen verlangt nach neuen Konzepten der Entwicklungsplanung. Ein Ansatz jenseits des üblichen Stadtmarketings ist die in der Region modellhaft entwickelte „aktivierende Stadtentwicklung“. Sie geht von Situationen aus, die für die Planungsinstanzen und Verwaltungen unlösbar sind und nur über Initiativen in Bewegung gebracht werden können.
  6. Während das Bauhaus in Dessau viele Besucher aus dem In- und Ausland anzieht, sind selbst Einheimischen andere Orte der Moderne in Sachsen-Anhalt nahezu unbekannt. Beispielsweise die Werksssiedlung Piesteritz von Schmitthenner und Salvisberg, die Großsiedlung für die Leuna-Werke in Bad Dürrenberg von Klein und Gropius, Zollingers Lamellenkonstruktionen in Merseburg, die Junkerswerke in Dessau, die Knarrbergsiedlung von Fischer und Migge usw. Dieses Erbe muss erschlossen und ins allgemeine Bewusstsein gehoben werden.
  7. Spätestens mit der Einrichtung von Promotionsstudiengängen Design an einzelnen Universitäten und Akademien in den letzten Jahren ist eine Klärung des Verhältnisses von Design zu den Wissenschaften erforderlich. Der wachsenden Bedeutung von Design für die Wissenschaft (u.a. dokumentiert im Exzellenz Cluster „Bild, Wissen, Gestaltung“ der HU Berlin) steht eine begreifliche und z.T. berechtigte Skepsis der Gestalter gegenüber. Dennoch müssen überzeugende Antworten auf die Fragen nach einer genuinen Designforschung ebenso wie nach einem produktiven Verhältnis von Wissen und Können in den entwerfenden Disziplinen gefunden werden.
Verfasser
Deutscher Werkbund Sachsen-Anhalt e.V.

Rubrik
Berichte