Work in Progress – 100 Jahre Bauhaus

Eine Sonderschau der IMM Cologne 2019

von Thomas Schriefers

 

Mit 100 Jahren Bauhaus verbindet sich die einmalige Wirkungsdynamik einer Ausnahme-Institution, die Ausbildungs- und Experimentierstätte, Campus und Produktionsgemeinschaft war. Heute würde man von einer praxisorientierten Denkfabrik sprechen, wobei am Bauhaus gleichzeitig gelehrt und geschaffen wurde. Gegensätzliche Auffassungen der in Weimar 1919 berufenen Lehrerpersönlichkeiten führten zu Diskussionen und immer wieder zum Richtungsstreit, welcher das Bauhaus bis zu seiner Schließung 1933 begleiten sollte.

Und doch war es bereits 1930 eine Marke. Damals schrieb Ernst Kállai:

„Heute weiß jeder Bescheid. Wohnungen mit viel Glas und Metallglanz: Bauhausstil. Desgleichen mit Wohnhygiene ohne Wohnstimmung: Bauhausstil. Stahlrohrgerippe: Bauhausstil. Gewürfelte Tapeten: Bauhausstil. Kein Bild an der Wand: Bauhausstil. Bild an der Wand, aber was soll es bedeuten: Bauhausstil. Drucksache mit fetten Balken und Grotesklettern: Bauhausstil. Alles kleingeschrieben: Bauhausstil ALLES GROSSGESPROCHEN: BAUHAUSSTIL.“ Dabei betonte der ungarische Publizist zu Recht, das Bauhaus sei vor allem eine „propagandistisch außerordentlich wirksame“ Versuchsstätte und Ort einer nicht akademischen Lehre für Gestalter einer modernen Welt. Dafür warb man in der eigenen Bauhaus-Zeitschrift, in der Studierende über ihre Erfahrungen berichteten. Heute sprechen wir von Evaluierung. Damals war man nicht nur damit der Zeit weit voraus, denn man propagierte u. a. konsequent die technische Form und „Kunst, die nicht an der Technik stirbt“ (Zitat: Georg Muche).

Das Bauhaus schaffte Grundlagen für unsere Designwelt: früh fokussiert auf das Entwickeln innovativer Konzepte und Arbeitsprozesse, gerade auch im Sinne von „work in progress“. So endet die Geschichte des Bauhaus auch nicht im Jahr 1933, sondern setzt sich fort, da dessen Lehrer und Schüler ihre Arbeit weltweit fortsetzten. Die damit verbundene Wirkungsdynamik hat dazu beigetragen, dass viele Ansätze des Bauhauses auch heute noch hochaktuell sind. Was macht die zeitlose Modernität einer von Wilhelm Wagenfeld 1924 gestalteten Glasleuchte aus und warum erscheinen uns Stühle, die vor fast 90 Jahren von Marcel Breuer entworfen wurden, nach wie vor geeignet, uns in unserem Alltag sinnvoll zu begleiten? Unternehmen wie Knoll, Technolumen, Tecta und Thonet zeigen mit bewährten Produktbeispielen, wie selbstverständlich das Bauhaus auch 2019 noch Teil einer modernen Einrichtungswelt ist.

Die Bedeutung des 1907 gegründeten Deutschen Werkbundes für das Bauhaus-Konzept wird in Köln dargestellt. Als Werkbund-Aktivist war der Bauhaus-Gründer Walter Gropius schließlich ein Garant für die Bestrebungen des DWB, die Qualität der „gewerblichen Wirtschaft“ durch interdisziplinäres Schaffen zu steigern. Die Bauhaus-Praxis, offensiv Öffentlichkeit zu suchen, zu publizieren und spektakuläre Ausstellungen zu initiieren, gründet ebenso auf Werkbund-Erfahrungen, wie das Interesse an zeitgemäßer Umweltgestaltung. Dass man sich nach 1945 auch in Köln der Bedeutung dieser progressiven Kräfte bewusst war, vermittelt die Veranstaltung der richtungsweisenden Werkbundausstellung, die 1949 im provisorisch wiederhergestellten Staatenhaus der Koelnmesse stattfand. Die aktuelle Sonderschau erinnert auch an diese international beachtete Ausstellung, auf der bereits eine zweite Generation von Bauhaus-Schülern erfolgreich ihre Arbeiten vorlegten.

Im Herbst 2019 werden zwei weitere von Dr. Thomas Schriefers kuratierte Ausstellungen zum Bauhaus stattfinden, wobei das Wirken des Deutschen Werkbundes einbezogen werden wird: in Wuppertal unter dem Titel „1919/1949/2019 – Bauhaus/ Werkkunstschule/ Bergische Universität“, mit dem Schwerpunkt der Bauhaus-Rezeption in der Lehre der WKS.

Eine weitere Schau wird für die Löffler Collection Bauhaus-Stühle in den Fokus rücken, Wechselwirkungen zum Werkbund und zu damals zeitgenössischen Strömungen darstellen. Dabei wird auch der Aspekt der Kulturpropaganda eine große Rolle spielen.

 

Foto: Thomas Schriefers
Verfasser
Deutscher Werkbund nordrhein-westfalen e.V.

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Mitteilungen