Adieu, Professor Hellmut Kanis
Werkbund-Ehrenmitglied Hellmut Kanis gestorben
Unser langjähriges Werkbundmitglied, Ehrenmitglied und Mitbegründer des Werkbund-Landesverbandes Rheinland-Pfalz, Architekt Professor Dipl.-Ing. Hellmut Kanis, ist vor zwei Wochen im 99sten Lebensjahr verstorben. Durch seine persönliche Integrität, durch sein Wirken und seine Haltung repräsentierte er überzeugend die Ideen und Zielsetzungen des Werkbunds.
Mit dem folgenden Nachruf von Knut-Hendrik Schaefer gedenken wir Hellmut Kanis’ und seines Werkes.
Adieu, Professor Hellmut Kanis
Der Deutsche Werkbund Rheinland-Pfalz trauert um Professor Hellmut Kanis, Diplomingenieur, Ehrenmitglied und Gründer des Werkbunds Rheinland-Pfalz, der im Alter von 98 Jahren verstorben ist. Trotz seines respektablen Alters war er bis zuletzt geistig äußerst rege und voller Schaffenskraft. Daher kam sein plötzlicher Tod für alle völlig unerwartet.
Der am 5. Oktober 1921 in Jößnitz bei Plauen/Vogtland geborene, spätere Architekt wurde dank seiner beruflichen Professionalität und seiner Lehrtätigkeit als Architekturprofessor an der Fachhochschule des Landes Rheinland-Pfalz weit über Mainz und das Land hinaus nachhaltig bekannt, nicht zuletzt weil er sein ganzes Wirken und Trachten den Werkbund-Idealen gewidmet hat. Mit seiner Geisteshaltung verkörperte er, was sich der Deutsche Werkbund seit dem Gründungsjahr 1907 zur ständigen Aufgabe gemacht hat: in Verantwortung gegenüber der Allgemeinheit die Qualität der menschlichen Umwelt zu verbessern.
Und so setzte sich Hellmut Kanis als Architekt unermüdlich für eine zukunftsorientierte Stadtentwicklung ein, stets direkt, konstruktiv und gradlinig in der Ansprache, stets sehr beharrlich – aber nicht starrsinnig, denn genannte Verhaltensweisen schätzte er auch bei seinem Gegenüber – wohl aber hartnäckig, bis das Ziel seines Anliegens erreicht war.
Als ein Beispiel soll der Frankfurter Hof in Mainz gelten: 1977 schien dieser dem Zerfall preisgegeben und es drohte der Abriss. Dieses Dilemma griff Kanis im Namen des Werkbundes auf, mit dem Ergebnis, dass seit1983 dank des Engagements von Kommunalpolitikern, Bürgern und einem Förderverein Zug um Zug diese historische Stätte der Stadt und der deutschen Geschichte mit hochkarätigen Veranstaltungen seine Renaissance erlebt.
Aber Hellmut Kanis zeichnete sich über seine Profession als Architekt hinaus auch als Baumeister der Versöhnung aus.
Wenn heute in Lódz ein stattlicher Ahorn „Baum der Freundschaft“ genannt wird, so wurde dieses Symbol 1992 ermöglicht, weil Kanis mit dem damaligen dortigen Direktor der Politechnika Lódzka mit dem gemeinsamen Pflanzen eine Partnerschaft mit der Fachhochschule Mainz einging, was auf ein politisch sicher kompliziertes, aber erfolgreiches Werkbund-Engagement zwischen 1975 bis 1986 hinweist. Dafür wurde der Werkbündler Kanis 1993 von Lech Walesa mit dem Offizierskreuz des Verdienstordens der Republik Polen ausgezeichnet.
Beide Beispiele zeigen: Er war ein nimmermüder Mahner, ein Anreger, der zu begeistern verstand, ein kritischer Einmischer politisch interessiert mit fundiertem Wissen, durchaus gepaart mit visionären Vorstellungen und ständig im Internet mit seinen „Kanis-Kolumnen“ präsent. Rückschläge ließen ihn nie resignieren, vielmehr waren sie scheint‘s Nahrung für seine unversiegbare Beharrlichkeit.
Doch es wäre nur die eine Hälfte des Werkbündlers Kanis, wenn man allein von seinem kämpferischen Engagement ausginge. Da war auch noch der andere Hellmut Kanis. Da war der Tolerante mit den Erkenntnissen des Zeitzeugen, großzügig und hilfsbereit, stets zuverlässig, mitfühlsam und herzlich, mit feinem Humor auf der einen Seite, aber auch mit leiser Wehmut, zum Beispiel wenn er seiner viel zu früh verstorbenen Gattin Iris Franziska gedachte.
Glücklich jene, die ihn zum Freund hatten – sie werden ihm dies nie vergessen.
Und eine herausragende Eigenschaft, sowohl öffentlich, wie privat, zeichnete ihn aus: Er setzte sein Wirken stets für die Sache ein, niemals um sich selbst in den Vordergrund zu rücken.
Hellmut Kanis hat von 1979 bis 1983 und von 1989 bis 1992 den dwb rlp als Vorsitzender engagiert und erfolgreich geführt. Es ist allerdings sein besonderes Verdienst, dass er zuvor im Dezember 1979 maßgeblich an der Gründung des eigenen Werkbundes für Rheinland-Pfalz beteiligt war – zu einem Zeitpunkt, als er noch Vorstandsmitglied im Deutschen Werkbund Baden-Württemberg war. Und ebenfalls war er 1991 an der Gründung des Deutschen Werkbundes Sachsen beteiligt. Dies waren zweifellos bemerkenswerte Ereignisse in der neueren deutschen Werkbund-Geschichte, und daher wurde Kanis im September 2008 die Ehrenmitgliedschaft im Deutschen Werkbund Rheinland Pfalz e.V. verliehen, mit der Begründung sich in vielfältiger und hervorragender Weise um das Ansehen des Deutschen Werkbundes verdient gemacht zu haben.
Der Werkbund Rheinland-Pfalz nimmt Abschied von einem Mitglied, das als herausragende Persönlichkeit mit Gradlinigkeit, Zielstrebigkeit und Charakter den Werten des Deutschen Werkbundes Profil verliehen hat.
Adieu, Professor Hellmut Kanis!
Remagen, 31. Juli 2020
Knut-Hendrik Schaefer, Mitglied des Vorstands
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