Neubau FH Koblenz

Bericht über den Vortrag unseres Mitgliedes Ernst Eichler bzw. das Werkgespräch am 24. November 2015 in Koblenz

Unser langjähriges Mitglied Ernst Eichler, Alzey-Weinheim, 1988 noch Architektur-Student an der Universität Kaiserslautern, hat aus dem Stand heraus kurz vor der Aufnahme in die Architektenkammer im April 1990 den damals auf Rheinland-Pfalz und das Saarland beschränkten Architektenwettbewerb für den Neubau der Fachschule Koblenz unter 32 Teilnehmern gewonnen.

Die Entwurfserläuterung zum Wettbewerbsbeitrag – sicherlich die kürzestmögliche, in großer Eile kurz vor Abgabefrist niedergeschrieben – enthält gleichwohl alles, was den Entwurf und seine nachwirkende Qualität auszeichnet:

„Erläuterung
Wie stellt sich eine Fachhochschule nach außen dar, wie können innovative Forschung, praxisnahe Ausbildung und Sensibilität für die Umwelt im Einklang nebeneinander bestehen? Solitärarchitektur, die die Vorzüge der Lage in der Landschaft zur reinen Selbstdarstellung nutzt, kann ebensowenig Antwort sein wie eine in jeder Richtung erweiterbare Megastruktur, die amöbenhaft das Gelände überzieht. Der Entwurf folgt anderen Zielen. Einbindung in die Landschaft, verbunden mit einem unverwechselbaren Erscheinungsbild und einer Identifikationsmöglichkeit sind die Leitideen. Eine langgestreckte Halle bildet das Rückgrat des Gesamtkomplexes; sie verbindet alle Funktionsbereiche miteinander und gibt einen Panoramablick über die wunderschöne Landschaft frei. Talseitig angelagert sind die einzelnen Fachbereichsgebäude und verzahnen sich mit der Natur. Der langgestreckte Hörsaaltrakt schafft durch seine prägnante Form ein homogenes, signifikantes Erscheinungs- bild. Darunter schiebt sich eine Plateauebene, auf der sich die verschiedenen Versorgungsebenen gruppieren.“

Von 1990 bis 2010 realisierte Ernst Eichler mit seinem Büro das Hochschulprojekt in 2 Bauabschnitten mit einem Gesamtvolumen von über 100 Mio €.
Anfragen aus unseren Reihen, doch einmal über den Entwurf und seine Realisierung zu referieren, führten zunächst ins Leere – nicht zuletzt weil Eichler nach der Realisierung eines ohne seine Kenntnis geplanten, die Hochschule nachhaltig verunstaltenden Erweiterungsbaus für sich einen schmerzhaften „Schlussstrich“ unter das Projekt ziehen wollte, welches er über 20 Jahre mit viel „Herzblut“ begleitet hatte.

Einer Aufforderung der Studentenschaft folgte er schließlich doch und stellte das FH-Projekt in einem 1-stündigen Vortrag vor. Dabei erläuterte er beginnend mit einer Zeitreise von der Moderne über Nachkriegs- und Postmoderne bis hin zur Gegenwartsarchitektur seine Beweggründe und seine Haltung zu Architektur im Dialog mit der Umgebung.

Anhand von Bildbeispielen veranschaulichte Eichler die kritische Auseinandersetzung seiner Studiengeneration mit auf Funktionalismus einerseits und oberflächlich dekorative Gestaltung andererseits beschränkte Architekturformen und seine persönliche Suche nach signifikanten am „Genius loci“ orientierten Lösungen. Interessant dabei auch der Hinweis auf die damals vor dem Hintergrund von Ölkriesen und erkennbaren Umweltschädigungen aufkeimende Umweltbewegung und die daraus abgeleiteten innovativen und beispielgebenden Ansätze ökologischer, umweltgerechter Ideen, welche in die Planung eingeflossen waren, im Einzelnen

  • transparente Wärmedämmung zur Lichtlenkung und Reduzierung von Beleuchtungsenergie,
  • am Sonnenstand optimierte Grundrisszonierungen zur Nutzung von Wandspeichermassen,
  • passive Sonnenenergienutzung durch die teilverschattete Eingangshalle,
  • für damalige Verhältnisse stark erhöhte Bauteil-Dämmwerte
  • eine Photovoltaikanlage zur Stromerzeugung,
  • ein Wärmepumpenheizkraftwerk mit Energiemanagment,
  • eine Windkraftanlage an der Westecke der Liegenschaft und
  • die integrierte Regenwassernutzung mit Energierückgewinnung;

letztere beiden wurden allerdings nicht umgesetzt, unter anderem, weil man durch Windrad und Hochspeicher negative Auswirkungen aufs Landschaftsbild befürchtete.
<Koblenz 12>
Ohne diese Streichungen wäre die FH Koblenz über viele Jahre beispielgebend für eine vorausschauende Energiepolitik gewesen; diese Chance wurde vertan.
Ernst Eichler erwähnte in seinem Vortrag auch die wesentlichen Beiträge der weiteren am Projekt beteiligten Werkbund-Mitglieder, allen voran Rolf Hennes, welcher damals in der Oberfinanzdirektion (OFD) leitend zuständig für den Hochschulbau im Land war, und mit seinen weit in die Zukunft orientierten Überlegungen dazu beitrug, dass der Realisierung eine städtebauliche Studie zur Weiterentwicklung des Standorts vorausging, die offensichtlich und bedauerlicherweise zwischenzeitlich in Vergessenheit geraten zu sein scheint. Eichler ging auch auf diese von seinem Büro erarbeitete Studie und das große Entwicklungspotential der Hochschule ein.
Summa summarum ein Vortrag, der Rang und Bedeutung dieses Hoch-schulbaus nicht nur für das Land Rheinland-Pfalz, sondern auch für die deutsche Hochschullandschaft insgesamt erkennbar werden ließ, und der zeigte, wie wichtig Architekturwettbewerbe für eine qualitätvolle und nachhaltige Projektumsetzung waren und sind.
Klaus Bierbaum und der Unterzeichner schlossen sich mit ergänzenden Beiträgen zu den Themen Freianlagengestaltung und wasserwirtschaftliche Überlegungen an.

Voraussetzung für die Genehmigung des Gesamtprojektes war die örtliche Versickerung des Regenwassers. Hierzu wurde abgestimmt auf die Außenanlagenplanung von Klaus Bierbaum und den im Gesamtprojekt von Ernst Eichler schon vorgesehenen Spiegelteich ein Regenrückhaltebecken harmonisch in die Landschaft integriert.

Die später ohne Beteiligung der Urheber gezogenen Zäune um die Anlagen konterkarriert geradezu die anfangs in den Erläuterungen formulierte Einbindung in die Landschaft als Leitidee des Entwurfs; ein bedauerlicher, kaum nachvollziehbarer Schritt des Landes als Eigentümer der Liegenschaft.
Unabhängig von diesen kritischen Hinweisen bleibt als Résumé, dass mit der Realisierung dieses Hochschulbaues durch unser Mitglied Architekt Ernst Eichler ein Signal, weit über Rheinland-Pfalz hinaus gesendet wurde, wie moderner, zukunftweisender und der Lehre, Wissenschaft und Forschung dienender Hochschulbau sensibel in Umfeld, Landschaft und Natur eingebettet werden kann.

Dieser Bericht wurde in enger Abstimmung mit Ernst Eichler, Rolf Hennes und Klaus Bierbaum erstellt.

Christian-Ludwig v. Kaphengst

Verfasser
Deutscher Werkbund Rheinland-Pfalz e.V.

Rubrik
Berichte