Lucy Hillebrand

Ehrenmitgliedschaft für die Suche nach dem 'großen Einfachen'

1927 wurde Lucy Hillebrand in den Deutschen Werkbund berufen, der sie 1985 zum Ehrenmitglied ernannte.

Geboren wurde Lucy Hillebrand 1906 in Mainz. Ein tolerantes Elternhaus förderte Sie und ermöglichte ihr die Einschulung in die erste experimentelle Reformschule in Mainz. Übertragung von Denk- und Gefühlserlebnissen in Tanz- und Raumformen gehörte zum Lehrkanon der Schule; und Versuche einer eigenen Tanzschrift weckte in ihr den Wunsch, den Beruf der Architektin zu wählen. Sie starb 1997 in Göttingen.

In den Jahren 1925 – 1928 wurde sie Meisterschülerin des Architekten Dominikus Böhm. Anschließend gründete sie ihr eigenes Architekturatelier in Frankfurt a.M. Dort hatte sie Kontakte zum Freundeskreis „das neue Frankfurt“, arbeitete projektweise mit Robert Michel und auch Kurt Schwitters zusammen. Funktional-differenzierte Architektur mit aerodynamischen Versuchen in der Formgebung ist ihr Thema, wie 1930 die Frankfurter Tankstelle. Ab 1934 wurde ihr von den Nationalsozialisten die berufliche Existenz entzogen, verbunden mit persönlicher Bedrohung. Durch Bombenschäden verlor sie dazu ihre Ateliers in Frankfurt und Hannover.

Nach 1945 eröffnete sie ihr eigenes Atelier in Göttingen. Dort arbeitete sie mit dem Soziologen und Publizisten Erich Gerlach zusammen, mit dem sie verheiratet war. Ihr Werk umfaßte jetzt eine Fülle von Entwürfen und Bauten: Kinderhäuser, Jugendzentren, Schulen, Studentenheime. Zusammen mit Pädagogen, Psychologen und Soziologen entwickelte sie auf der Grundlage pädagogischer Erkenntnisse räumliche Grundelemente und eigene Grundformen. Beispiele sind die Erziehungsberatungsstelle in Hannover (1953/56), das Gewerkschaftshaus in Northeim (1958), das psychotherapeutische Klinikum in Tiefenbrunn (1969) und das Albert Schweizer-Kinderdorf in Uslar (1970).

Auch in ihrer späten Schaffensphase entwickelte sie kühne Raum- und Baukonzepte im Entwurf „die Lichtstadt“, ein Museum der Weltreligionen als Beitrag zur Weltausstellung der Architektur in Sofia (1989), ein Brückenprojekt (1990) und im gleichen Jahr die „Stadt des Diogenes“ für die Stadt EXPO 2000 in Hannover. Sanft schaukeln Häusertonnen auf dem Maschsee. Über Lichtrinnen werden sie diskret beleuchtet, durch stählerne Pontons sind sie miteinander verbunden. Gezeigt wurden die Modelle, die im Deutschen Architekturmuseum in Frankfurt aufbewahrt werden, in der letzten Ausstellung mit Arbeiten von Lucy Hillebrand „die nicht vollendbare Architektur“, die der hiesige Landesbund ihr im Sprengel-Museum in Hannover 1994 ausgerichtet hat. An den hier gezeigten Modellen wurde die Denk- und Arbeitsweise Lucy Hillebrands deutlich: Der Weg ist das Ziel, losgelöst von konkreten Bauaufgaben, die Suche nach dem ‚großen Einfachen‘, wie sie es selbst formulierte, organische Bewegungsabläufe, Rückführung der gebauten Form auf ein menschliches Maß, „Denkmodelle“.

Verfasser
Deutscher Werkbund Nord e.V.

Rubrik
Berichte